Haben Mäßigung und Diplomatie keinen Platz mehr in heutigen "Haudrauf-Gesellschaften"?
28 Intellektuelle, Promis wie z. B. Alice Schwarzer, Dieter Nuhr, haben an Bundeskanzler Scholz einen Brief zum Ukraine/Russland-Krieg geschrieben und davor gewarnt, dass durch weitere Eskalation, z. B. durch Waffenlieferungen, die Gefahr eines weltweiten Atomskrieges grösser wird. Ähnliches hat parallel der bekannte Soziologe Jürgen Habermas geschrieben und mehr Vernunft und Realismus gefordert.
Die Reaktionen auf diesen Brief und die Äußerungen Habermas durch andere Intellektuelle, Medien und Politiker waren z. T. sehr scharf, rüde und gingen auch weit unter die Gürtellinie. Es wurde Unverständnis bis völlige Ablehnung ob dieser Warnungen geäussert und die 'Offene Brief-Schreiber' als naive Pazifisten abgestempelt, die irgendwie neben der Spur laufen 👇
Es wurde fast noch nichtmal in Erwägung gezogen, dass die "Offene Brief-Schreiber" und Habermas eine sinnvolle und angebrachte Sichtweise verfolgen. Es gibt nur wenige Stimmen, die Verständnis für die Argumente der Offene-Brief-Schreiber zeigen 👇
Überwiegend zeigt die politische und mediale Schickeria aber Ablehnung gegenüber dem Aufruf der Mäßigung. Was eine intellektuelle Bankrott-Erklärung der öffentlichen Meinung in Vertretung anderer Promis, Politiker und Medien. Geantwortet wurde den Brief-Schreibern vielfach in einseitiger und populistischer schwarz/weiss Malerei der archaischsten Art. Primitives Muskelspiel soll also die Zielgrösse der neuen "Haudrauf-Gesellschaften" sein - Devise: "schlägst du (Russland) mich, schlag ich (Ukraine) dich... und noch fester". Das Alttestamentarische "Auge um Auge, Zahn um Zahn" erlebt eine Renaissance. Ach, wer braucht denn dann noch die über Jahrzehnte eingeübten Friedensbemühungen und Friedenstauben, wenn "Krieg spielen" unter dem Deckmantel von: "Aufgegeben ist keine Option - man darf sich ja wohl noch bis zum Letzten verteidigen dürfen", heutzutage so einfach ist?
Das Denken in Feindbildern hat ja längst wieder Konjunktur. Gerade die beiden letzten Jahre haben diese Denke geradezu geboostert: Corona-Massnahmen-Gegner, Reiserückkehrer, Corona-Leugner, Schlafschafe, Impfskeptiker... um jetzt im Eiltempo einem gewissen "Russenhass" als neuem/alten Feindbild Platz zu machen.
"Das selbe Regime, die gleiche Methode, frisches Feindbild, neue Eskalationsstufe. Nun hassen wir solidarisch russische Staatsbürger, entsenden Waffen statt Diplomaten für den Frieden, sammeln Social-Klima-Credits für bezahltes Frieren und stimmen uns, mit aktualisiertem Banner auf der Profilbildstirn selbstgefällig auf den nächsten großen Endkampf ein."
Ach ja, und diejenigen, die die Gefahr eines solchen "Endkampfs" sehen und eine solche Katastrophe um keinen Preis wollen - geringschätzend als 'Offene Brief - Schreiber' bezeichnet, werden gleich mit in das neue Feindbild verpackt. Die stören also nur bei der neu-woken "Auge um Auge, Zahn um Zahn" - Parade...
Mahnt uns aber nicht unser aller Geschichte, im Großen wie im Kleinen, genau hinzusehen und bei all unseren Unterschieden, stets die Verständigung und den Frieden anzustreben? Zumindest die "Brief-Schreiber" und auch Habermas haben wenigstens noch genauer hingesehen. Also doch Hoffnung...auf Rückkehr von Vernunft, Realismus und Pragmatismus?
Dieter Nuhr hat in einem Facebook-Beitrag noch ergänzendes zu dem Offenen Brief hinzugefügt 👇