Warum fällt die Pandemie-Aufarbeitung so schwer?

In uns Menschen ist u.a. auch die "Suche nach Perfektion" angelegt. Wie sich das (in übertriebener Weise) zeigen kann, haben wir in der Pandemie erfahren und zwar, wie es der Neurowissenschaftler Raphael M. Bonelli ausdrückt, in Form des 'Mitläufertums', des Wunsches vieler, im Mainstream mitzuschwimmen. Die Pandemie hat da zu einer Denkwende geführt, zu einer 'pandemischen Denkstörung', wie es Bonelli ausdrückt. Wir entwickeln uns in eine Gesellschaft, in der niemand mehr Fehler zugeben kann. 

Bonelli nennt das "kollektiven Perfektionismus" in einer Gesellschaft, in der jeder eine 'Maske' trägt, nicht mehr sein wahres ICH zeigt bzw. nicht mehr traut zu zeigen. Daher kann die "Pandemie-Maske" doppeldeutig gesehen werden, heisst, wir verstecken hinter der Maske das, was wir zwar irgendwie als wahr sehen, zeigen und sagen aber sicht- und hörbar nach außen nur, was andere erwarten, was "gut ankommt". Das meint Bonelli mit 'pandemischer Denkstörung', dass wir bzw. viele nicht mehr nach der Wahrheit suchen, sondern nur noch auf der Suche sind, danach "schnüffeln", was muss ich sagen, dass "ich gut ankomme... gut durchkomme... das ich nicht anecke" - wie kann ich "Zuckerbrot bekommen und gleichzeitig der Peitsche ausweichen?" Dahinter steckt die schon fast übermässige Gier danach wertgeschätzt zu werden, zu gefallen, wie es Bonelli formuliert. Viele wollen nicht mehr nach oben anecken. Wenn anecken, dann höchstens mit Schwächeren. In der Pandemie waren das die Ungeimpften. Bonelli drückt es drastisch aus: "Da konnte die Aggression des Pöbels losgelassen werden und sich austoben."

Im Sinne "Aufarbeitung der Pandemie" fällt es daher Geimpften auch schwer, über ihr Leben, insbesondere ihr eigenes (falsche) Verhalten in der Pandemie kritisch zu reflektieren. Lehren aus der Pandemie ziehen, geht für Geimpfte nicht so ohne weiteres. Würden Geimpfte einsehen, dass die Impfung ein Fehler war, lässt sich das ja nicht mehr rückgängig machen und da die Mehrheit der Bevölkerung mitgemacht hat und sich hat impfen lassen, stellt dies eine "kollektive Brandmauer" da, wie es der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz formuliert. Heisst, über das was in der Pandemie falsch, bitter und böse war, soll auf keinen Fall gesprochen, das soll nicht aufgedeckt werden. Maaz drückt dies so aus "dass dieser Zusammenhang, die kollektive Fehlhaltung immer verbunden ist mit einer individuellen Fehlhaltung/Fehleinschätzung und das soll letztlich nicht erkannt werden." Daher ist die Abwehr, die Weigerung, eine wirkliche Aufarbeitung über die Pandemie zu leisten, so massiv.
(Quelle: Die Pandemie der Angst-Gesellschaft /indubio, 03.12.2023)