Die Corona-Hypochonder
[Interessanter Beitrag (Cicero vom 29.3.21) von dem Psychologen Dr. Holger Richter]
„Hypochondrie-Patienten leben in der Logik, dass alles unsicher ist, alles voller Gefahr: jede Türklinke, jedes Geschäft oder Getränk. Und sie testen auf Gesundheit und nicht andersherum…..
Gegen die mikroskopische Krankheitslogik hilft, das Ganze einmal wie aus der Ferne, vom Mars aus zu betrachten. Dann werden die Verrücktheiten offenbar: Die Menschen schneiden sich einseitig Vergnügen ab, mit der Begründung, sich sozial zu distanzieren. Gleichzeitig aber gehen sie arbeiten und treffen dort aufeinander. Je nach dem Namen eines Einzelhandelsgeschäfts darf man dort hinein oder eben auch nicht. Je nach Begründung darf man in ein Hotel. Es ist nicht mehr verständlich, warum wir nicht dieselben Maßnahmen mit dem Influenzavirus, Rota, Zika und vielen weiteren Plagen durchführen.
In einem Land wird beim Auftreten einer Erkrankung eine ganze Stadt hermetisch ohne Vorankündigung abgeriegelt und das Leben heruntergefahren. Das macht man vielleicht ein-, zwei-, dreimal mit, dann wird sich ein solcher Unmut regen, dass Gewalt droht. Dabei sind die Doppelstandards offensichtlich: Ein Gebiet wie Tirol wurde abgeriegelt, als es die niedrigste Inzidenz von ganz Österreich hatte und blieb es, obwohl der Anteil der bösen Mutanten im Saarland höher war. In ein ausländisches Hotel darf gefahren werden, in ein heimisches nicht. Man kann sich auf einer Strecke von 100 Metern genauso anstecken oder nicht wie bei 15 Kilometern. Wenn es Ebola wäre, dann würden auf Zugreisen Kontrollen stattfinden und nicht nur extrem strenge Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen gelten. Dann würde man auf die Gurgelstudien hören, die belegen, dass durch antiseptisches Gurgeln die Viruslast bis auf Null gedrückt werden kann. Aber Gurgeln ist nicht staatlich zu kontrollieren wie das Maskentragen.
Die hypochondrische Logik
Nicht nur die Kosten werden explodieren und die Nasenschleimhäute leiden – die hypochondrische Logik wird sich so immer weiter verfestigen, und mit jeder entdeckten Krankheit (oder falsch positivem Test) wird das bestätigt: Sicherheit – aber nur bis morgen. Bis wir alle, und zwar jeden Tag (da wir zur Arbeit oder zum Einkauf wollen) einen Negativ-Test machen müssen. Und zwar für Corona, Schweinegrippe, Noro, Streptokokken, um nur einige zu nennen – und endgültig Gefangene des hypochondrischen Grundgesetzes sind: Zu beweisen dass wir gesund sind.
Dieser Teil von Corona ist eine psychische Krankheit. Normal ist ein Negativ-Nachweis, wenn man sich krank fühlt. Normal wäre es, alles zur Vorbeugung zu tun, Risikogruppen zu schützen – und ansonsten mit einem gewissen Krankheits- und Todesrisiko zu leben: Bergsteiger, Krankenschwestern, Autofahrer und Fernreisende in Malariagebiete machen es uns vor.“