Sollten wir Angst um unser Land haben?

Wer (Ur)Grosseltern hat oder hatte,  erinnert sich bestimmt: wer hat nicht manchmal gelacht oder abgwunken, wenn diese von schweren Zeiten erzählten und warnten, dass diese wiederkommen könnten. Und nun sind wir alle an einem Punkt, dass wir selbst in eine ähnliche Situation wie unsere (Ur)Großeltern kommen könnten.

Heisst: Wir stehen derzeit in einer Umbruchsituation. Nicht gemeint im persönlichen Sinn, sondern primär im gesellschaftlichen und ökonomischen Sinn. Wohin die Reise geht, ist noch nicht klar. Schlimme Umbruchzeiten haben unsere (Ur)Grosseltern erlebt, in anderen Ländern finden diese längst (wieder) statt - wir müssen beispielsweise nur in den arabischen Raum schauen oder nach Russland, in die Ukraine, nach Amerika. Viele Menschen dort haben das Urvertrauen in den Staat, in die Gesellschaft längst verloren. In Deutschland ist dieses Urvertrauen (noch) bei vielen Menschen gegeben. Fragt sich, wie lange noch? 

Es gibt wohl keine Gewissheit, dass wir vor Umbruch-Katastrophen gefeit sind. Ja, und sie sind möglich. Und gerade die naive Überzeugung, sie könnten gar nicht geschehen, macht sie wahrscheinlicher. Wir werden wahrscheinlich in den nächsten Jahren Entwicklungen erleben, die wir bisher für völlig unmöglich gehalten hätten. Massive finanzielle Verwerfungen scheinen, wenn man sich die aktuelle Euro-Politik anschaut, eigentlich kaum verhinderbar. Der massive Vertrauensverlust in die Politik und die extreme Spaltung der Gesellschaft können nicht folgenlos bleiben. Doch Politik und Medien glauben sich immer noch auf einem unsinkbaren Schiff. Das, wir wir aus der Historie wissen, sehr schnell zur Titanic werden kann.

Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, wie zerbrechlich, wie leicht zerstörbar die Errungenschaften sind, die uns in den letzten Jahrzehnten das Leben so bequem gemacht haben: Wohlstand, Freiheit, Demokratie. Sie sind eben kein Naturgesetz in der Geschichte der Menschheit: sie sind die absolute Ausnahme. Nur wer sie zu schätzen weiß, wird sie bewahren können. Muss man sie wirklich verlieren oder einmal unter ihrem Fehlen gelitten haben, um sie schätzen zu lernen? Wie weitgehend muss der Verlust sein, bevor man zur Besinnung kommt?

Die Geschwindigkeit und die Energie, mit der derzeit große Teile von Politik und Medien das Fundament unserer Demokratie und der gesellschaftlichen Ordnung, wie wir sie kennen, untergraben, dürfte in der jüngeren Geschichte demokratischer Staaten einzigartig sein. Die Corona-Krise ist nur der Auslöser, aber nicht die tiefergehende Ursache. Welche Ursachen aus den letzten Jahren bereits die Demokratie bedrohen, das zu betrachten wäre eine eigene Analyse wert. Was aber können wir, kann jeder Einzelne tun? Abwarten? Mitmachen? Widersetzen? Wer weiter eine starke Demokratie als Säule einer funktionierenden Gesellschaft will, dem bleibt in heutigen Zeiten wohl keine andere Wahl als für die Demokratie konsequent einzustehen, sich dem schleichenden Abbau der Demokratie zu widersetzen. Egal, auch wenn jeder von uns in seinem Umfeld nur kleine Möglichkeiten hat. Ganz entscheidend ist dabei, dass sich die Demokraten, quer durch alle Lager, die Gefahr bewusst machen und, statt sich gegenseitig zu bekämpfen, gemeinsam die Gegner unserer freiheitlichen Demokratie als die eigentliche Bedrohung erkennen. Jeder aufrechte Linke, Liberale, Bürgerliche und Konservative sollte/muss sich gegen das totalitäre Denken ohne Graustufen, das sich breitgemacht hat, wehren. Gegen all die Intoleranz und den Hass, die unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Intoleranz und Hass wuchern. Andernfalls habe ich wirklich Angst - nicht wegen der neuen Atemwegsinfektion SARS_COV_2, die ist bereits akzeptiert, eingetütet als dauerhafte Selbstverständlichkeit wie andere Infektionen und Krankheiten - als vielmehr um unser Land, die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die offene Gesellschaft.